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MEDICUS
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MEDIZINPRODUKTE.
Wer kennt es nicht – wie immer versucht man, ein neues Ge-
rät ohne die Zuhilfenahme der Gebrauchsanleitung zu nut-
zen, doch dann scheitert man schon beim ersten Schritt – der
Inbetriebnahme des Gerätes.
Spätestens nach dieser Erfahrung ist ein Blick in die Ge-
brauchsanleitung unumgänglich. Was im häuslichen Bereich
mit DVD Spielern, Handys, Digitalkameras, Radioweckern oder
Küchenmaschinen zumeist Unmut und ggf. einen Umtausch
des Gerätes zur Folge hat, kann in der Arztpraxis, in der häus-
lichen Pflege oder im klinischen Umfeld ernsthafte Folgen
haben. Allerdings garantiert auch das Lesen der Gebrauchs-
anleitung nicht in jedem Fall eine einfache und fehlerfreie
Gerätebedienung. So simpel das Wort „Anleitung“ vielleicht
klingen mag, so komplex und wissenschaftlich ist das Gebiet,
welches sich dahinter verbirgt. Theoretisch ist bekannt, was
eine benutzerfreundliche Anleitung im Wesentlichen bein-
halten sollte: kurze Sätze in Landessprache, einen einfachen
Satzbau, präzise und unmissverständliche Formulierungen,
einen logischen Aufbau und ein gutes Bild-Text-Verhältnis. In
der Realität stößt man jedoch oft genug auf Beispiele, bei
denen diese Regeln nicht berücksichtigt wurden.
Um schlechten Gebrauchsanleitungen vorzubeugen, gibt es
Richtlinien, Standards oder „Best Practice“ Dokumente, die
auf fundierten Erkenntnissen basieren. Leider zeigt sich in der
Praxis immer wieder, dass Produktinformationen fehlen oder
vom Verbraucher schlecht auffindbar sind. Zudem sind die
Informationen für den Verbraucher schwer verständlich und
schlecht lesbar. Es stellt sich die Frage, warum Hersteller das
vorhandene Wissen zur Erstellung von Bedienungsanleitun-
gen nicht nutzen und sich dieser bekannten Problematik nicht
widmen. Zielführend wäre hier eine frühzeitige Überprüfung
der Verständlichkeit und Lesbarkeit der Gebrauchsanleitung
im Rahmen von Anwendertests vor der Markteinführung des
Produktes.
Die stiefmütterliche Betrachtung der
Gebrauchsanleitung im Entwicklungsprozess
Gerade für Hersteller von Medizinprodukten sollte die Erstel-
lung einer verständlichen und damit anwenderfreundlichen
Gebrauchsanleitung ein anzustrebendes Ziel sein, zumal das
Gebrauchsanleitungen von Medizinprodukten:
Huhn oder Ei, was kommt zuerst?
Obwohl die Theorie zur Erstellung von benutzerfreundlichen Gebrauchsanleitungen vorhanden ist, so findet man
immer wieder Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Fehlende Zielgruppenanalysen, Nichtbefolgung von Standards
und Richtlinien sowie ausbleibende Gebrauchstauglichkeitstests sind nicht alle - aber wesentliche Gründe dafür.
Thema Gebrauchstauglichkeit, ebenfalls bekannt unter dem
Begriff „Usability“, ein fester Bestandteil des Entwicklungs-
prozesses ist. Nicht allen Herstellern ist jedoch bekannt, was
eine anwenderfreundliche Gebrauchsanleitung ausmacht
und dass die Gebrauchsanleitung als Schnittstelle zwischen
Mensch und Maschine ein Bestandteil des Produktes ist und
damit bei der Zulassung berücksichtigt werden muss. Viel-
mehr sehen sie in der Gebrauchsanleitung die Möglichkeit,
sich juristisch gegen eine mögliche Fehlanwendung des Pro-
duktes abzusichern. Als Resultat findet man häufig mehr
Gefahren- und Warnhinweise als adäquate Hinweise zur rich-
tigen Anwendung des Produktes. Neuste normative Anfor-
derungen, wie z. B. in der Gebrauchstauglichkeitsnorm IEC
62366-1:2015, fordern nun von den Herstellern, dass die in
der Gebrauchsanleitung gegebenen Warnhinweise zur Ver-
meidung von Anwendungsrisiken auf ihre Wirksamkeit hin
evaluiert werden müssen. Demnach sollte die Gebrauchsan-
leitung, genauso wie alle anderen Bestandteile eines Medizin-
produktes, von Beginn an in den Entwicklungsprozess mitein-
bezogen werden. An dieser Empfehlung scheitern allerdings
viele Hersteller, da die Gebrauchsanweisung oft erst kurz vor
Schluss erstellt werden.
Die zeitliche Hürde ist nicht das einzige Problem, weshalb vie-
le Anleitungen eine inadäquate Anwenderfreundlichkeit auf-
weisen. Viel zu häufig kommt es vor, dass Anleitungen von
Entwicklern ohne spezielle Kenntnisse oder Zusatzausbildung
zum Verfassen von Gebrauchsanleitungen erstellt werden,
wie z. B. von den eigentlichen Konstrukteuren. Neben dem
fehlenden redaktionellen Knowhow haben Konstrukteure,
bedingt durch ihr produktspezifisches Wissen, häufig ein an-
deres Verhältnis zum Produkt. Komplizierte Handlungen er-
scheinen als selbsterklärend und intuitiv, die Anwendung ist
routiniert.
Eine Gebrauchsanleitung muss nicht nur optisch und inhalt-
lich gut strukturiert sein; sie soll den Anwender vor allem
darin unterstützen, das Medizinprodukt sicher anzuwenden.
Ein gutes Verhältnis von Text und Grafik kann dazu beitra-
gen. Es sollte dabei beachtet werden, dass die Bilder groß
genug, verständlich, vollständig und richtig sind, jedoch nicht
mit Informationen überladen. Des Weiteren muss es einen