14
VR
MEDICUS
MEDIZINPRODUKTE.
deutlichen Zusammenhang zwischen Bild und Text mit einer
räumlich nahen und logischen Bildreihenfolge geben. Wich-
tig ist, dass inhaltlich zusammenhängende Informationen
nicht durch einen Absatz- oder Seitenwechsel voneinander
getrennt werden, da dies zu Verwirrung und Handhabungs-
schwierigkeiten führen kann. Das Beispiel in Abbildung 1
zeigt den nachskizzierten Ausschnitt einer Anleitung für han-
delsübliche Augentropfen, wobei die zusammengehörigen
Anwendungshinweise zum einen am Ende der Vorder- und
zum anderen am Anfang der Rückseite zu finden sind. Die
Tatsache, dass die Bildunterschriften von Schritt 4 und 5 kaum
von dem angrenzenden Fließtext zu unterscheiden sind, stellt
eine weitere Schwachstelle der Anleitung dar. Der linke Teil
1A zeigt mit einem grünen Pfeilverlauf, wie die korrekte Lese-
richtung der Anleitung wäre, wohingegen der rechte Teil 1B
mit einem roten Pfeilverlauf aufzeigt, wie die Anleitung bei
diesem Layout auch gelesen werden könnte.
Deutsche Sprache, schwere Sprache
Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass Anwender und Ent-
wickler bzw. die Autoren einer Gebrauchsanleitung häufig
eine unterschiedliche Sprache sprechen. Ist ein Text eher im
„Fachchinesisch“ als in einfacher und klarer deutscher Sprache
geschrieben, ist der Satzbau eher lang und verschachtelt als
kurz und prägnant oder gibt es erst gar keine deutsche, son-
dern nur fremdsprachige Anleitungen, so kann es zu Unver-
ständlichkeiten oder Missverständnissen und damit zu Fehl-
bedienungen kommen. Damit die Texte einfach zu verstehen
sind, sollten unnötige Anglizismen, Fachbegriffe und Abkür-
zungen vermieden werden, vielmehr soll eine dem Anwen-
der vertraute Sprachform gewählt werden. Sofern dies nicht
umgangen werden kann, ist eine Erklärung der Fachbegriffe
bzw. ein Abkürzungsverzeichnis unabdingbar.
Geht man davon aus, dass eine Gebrauchsanleitung nach nor-
mativen Vorgaben entwicklungsbegleitend und unter Einbe-
ziehung potenzieller Endanwender erstellt wird, so bedeutet
dies noch nicht, dass alle Hürden genommen wurden. Was
bleibt, ist die Übersetzung in die Sprachen der Zielmärkte.
Das Beispiel (Abb. 2) zeigt, was ein einziger Übersetzungsfeh-
ler für Folgen haben kann. Ein Hersteller einer Insulinpumpe
musste im Dezember 2010 eine Sicherheitswarnung heraus-
geben, da es in der Gebrauchsanleitung einen schwerwie-
genden Übersetzungsfehler gab. Das Problem bestand da-
rin, dass bei nicht erfolgter Dekonnektion des Infusionssets
eine unkontrollierte Bolusgabe erfolgen könnte, während
der Pumpenkolben zurückfährt. Dies kann lebensbedrohliche
Folgen haben.
Ein Vorfall, der im Jahr 2007 dazu führte, dass in einem
französischen Krankenhaus vier Patienten infolge schwerer
Strahlenschäden durch Behandlungsfehler starben, ist nicht
fiktiv. Aufgrund einer falschen Interpretation der englischen
Gebrauchsanleitung durch den Übersetzer, kam es zu diesem
schwerwiegenden Behandlungsfehler. Deswegen stellt die
verständliche Erstellung und Übersetzung der Begleitdoku-
mentation eine Aufgabe mit Verantwortung dar, mit der Me-
dizinproduktehersteller konfrontiert werden.
Verständliche Symbole sind Mangelware
Trotz dieser bekannten Fakten, unterschätzen viele Unter-
nehmen die Herausforderungen einer verständlichen Über-
setzung. Selbst bei Einhaltung der grammatikalischen Regeln
der entsprechenden Sprache reicht eine wortwörtliche Über-
setzung nicht aus. Es muss eine inhaltlich richtige, sinnvolle
und
für die vorgesehene Anwendergruppe in dem spezifi-
schen Land verständliche Übersetzung erstellt werden. Hier-
bei spielen neben der rein sprachlichen Ebene auch die kultur-
kreisspezifischen Unterschiede eine große Rolle. Ein Beispiel
für die Nicht-Beachtung von kulturkreisspezifischen Merkma-
len ist z. B. die Fehldeutung des Symbols einer durchgestriche-
nen schwangeren Frau auf einer Contergan-Verpackung in
den 1960er Jahren. Dieses Symbol war auf dem Etikett eines
Abbildung 2:
Auszug aus der Sicherheitswarnung einer Insulinpum-
pe mit falscher und korrekter Übersetzung.
Abbildung 1:
Durch Seitenumbruch getrennte Anwendungshin-
weise am Ende der Vorderseite und am Anfang der Rückseite, mit
richtiger Leserichtung (1A) und möglicher falschen Leserichtung (1B).